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JÜDISCH VOR ORT

Ausstellung "1700 Jahre jüdisches Leben im Rheinland"

Von Frühling bis Sommer bereisen wir mit unserer mobilen Outdoor-Ausstellung das Rheinland und besuchen Schulen, Stadt- und Museumsfeste. Schreiben Sie uns, wenn die Ausstellung auch zu Ihnen an die Schule kommen soll.

LVR-KULTURHAUS Landsynagoge Rödingen
Jüdisches Leben im Rheinland
Mühlenend 1
52445 Titz-Rödingen

Anfahrt

Familiengeschichte

Von 1789 bis 1934 war das Rödinger Wohnhaus der Lebensmittelpunkt der Familie Ullmann. Die Geschichte der Ullmanns und ihrer Nachkommen kann über 200 Jahre rekonstruiert werden. Sie ist in vielerlei Hinsicht typisch für die Geschichte der Juden im Rheinland im 19. und 20. Jahrhundert.

Ellen-Eliel Wallach, Urenkelin des Synagogenerbauers, mit ihrer Familie zu Besuch in Rödingen.

Die Geschichte der Familie Ullmann

1781 ließ sich der jüdische Metzger Philipp Susmann (1742-1820) aus Eger (Böhmen) in Rödingen nieder. Er heiratete die aus Rödingen stammende Sophie Abraham und erwarb 1789 ein Grundstück mit einem Haus, die Nr. 64 (das heutige Mühlenend 1). Im Haus richtete er wenig später auch eine Betstube für die kleine jüdische Gemeinde ein.

In der „Franzosenzeit“ (1794-1813/14) wurden von den jüdischen Untertanen seit 1808 Gewerbepatente eingefordert. In den Listen der „patentwürdigen Juden“ der Bürgermeisterei Rödingen ist Philipp Susmann als „boucheur et colporteur“ (frz., Metzger und Hausierer) eingetragen.

So wie Philipp Susmann arbeiteten die meisten jüdischen Männer in Rödingen damals als Metzger, Vieh-, Samen- und Kleesamenhändler oder als Grundstücksmakler. Einige Frauen betrieben Schnittwarengeschäfte, in denen Tuche und Stoffe als laufende Meterware verkauft wurden.

Als die napoleonische Gesetzgebung 1808 von ihren jüdischen Untertanen feste Familiennamen verlangte, entschied sich Philipp Susmann, den Namen „Ullmann“ anzunehmen.

Quelle von 1926 zur Auflösung der Filialgemeinde.

Von 1840 bis 1877 war Isaak Ullmann (1800-1877), Philipps jüngster Sohn, Vorsteher der Spezialgemeinde Rödingen. Er ließ das Haus, das sein Vater gekauft hatte, abreißen und 1841 einen Neubau errichten. Durch das Anwachsen der jüdischen Bevölkerung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war auch die Betstube im Hause Ullmann zu klein geworden. Daher ließ Isaak Ullmann im selben Jahr eine eigenständige Synagoge in seinem Hof errichten. Zu dieser Zeit lebten 42 Jüdinnen und Juden in Rödingen. Sie bildeten eine Filialgemeinde, die zum Synagogenbezirk Jülich gehörte.

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts veränderte sich die Struktur der Landwirtschaft in der Region. Zudem erhielt Rödingen keinen Eisenbahnanschluss und verlor damit wichtige Voraussetzungen als attraktiver Handelsort. Dies hatte auch Auswirkungen auf die jüdische Bevölkerung: Fast alle jüdischen Rödingerinnen und Rödinger zogen Ende des 19. Jahrhunderts in die größeren umliegenden Städte wie Jülich, Düren, Düsseldorf oder Köln. 1926 lebten nur noch drei alte jüdische Menschen in Rödingen: Neben Sibilla Ullmann (1860-1942), der jüngsten, unverheiratet gebliebenen Tochter des Synagogenerbauers, waren dies der Viehhändler Abraham Katz und Henriette Horn.

Bereits im Februar 1926 beschloss die Synagogengemeinde Jülich, die Filialgemeinde Rödingen aufzulösen. Als Henrietta Horn im Frühjahr 1931 starb, fand die letzte jüdische Beerdigung in Rödingen statt.

Dies ist der alternative Bildtext aus den Metadaten

Sibilla Ullmann, 2. Reihe von unten, 3. von rechts, in einem Altenheim in Rheydt vor 1939, Quelle: Stadtarchiv Mönchengladbach.

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 begann sofort die Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung und setzten Berufsbeschränkungen für Jüdinnen und Juden ein. Sibillas Neffe, Richard Wallach (1895-1944), konnte daher seinen Beruf als Getreidehändler in Düsseldorf nicht mehr ausüben und geriet in finanzielle Schwierigkeiten.

Unter dem wirtschaftlichen Druck verkauften die Erben Isaak Ullmanns deshalb 1934 die Gebäude an eine Aachener Schaustellerfamilie. Bis zu dem Verkauf lebte Sibilla Ullmann in ihrem Elternhaus. Bevor sie auszog, ritzte sie ihren Namen in ein Fenster, das bis heute erhalten ist. Danach zog sie in das jüdische Altersheim (Mönchengladbach-) Rheydt, wo sie bis 1942 lebte.

Wie ihr Neffe Richard wurde Sibilla Ullmann Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik. Im Alter von 82 Jahren wurde sie mit einem Sammeltransport von Düsseldorf nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet.

Rundgang

Im ehemaligen Wohnhaus der Familie Ullmann zeigt eine Dauerausstellung auf zwei Etagen zahlreiche Aspekte der jüdischen Geschichte und Kultur. Hörstücke auf Deutsch oder Englisch sowie verschiedene Kurzfilme ergänzen das Informationsangebot.

Mesusaspur an einem Türrahmen im Vorsteherhaus.

Spuren erzählen Geschichte


Im Wohnhaus und in der ehemaligen Synagoge wurden bei der Sanierung viele, oft unscheinbare Spuren gefunden, die gesichert oder wieder sichtbar gemacht wurden. Sie sind eigenständige Exponate, die Geschichten erzählen – über die Menschen, die hier lebten, ihre Religion, ihre Art zu wohnen und sich einzurichten, ihre Arbeit oder über die Baugeschichte des Hauses.

Tapetenspuren.

Schon im ersten Raum, der als Medien- und Kommunikationsraum eingerichtet ist, findet man am Türrahmen Spuren einer Mesusa (hebr. Türpfosten), die von der jüdischen Familie angebracht wurde.

Über der Tür erinnert der Abdruck eines Kreuzes an die christliche Familie, die anschließend hier lebte.

Die Tapeten- und Farbschichten geben Auskunft über die Wandgestaltung von den 1920er Jahren bis heute.

Informationen zu Sibilla Ullmann.

Die Familie Susmann / Ullmann

Von 1789 bis 1934 war das Rödinger Haus der Lebensmittelpunkt der Familie Ullmann. Die Geschichte der Rödinger Ullmanns und ihrer Nachkommen kann über 200 Jahre rekonstruiert werden. Sie ist in vielerlei Hinsicht typisch für die Geschichte der Juden im Rheinland im 19. und 20. Jahrhundert.

Fünf Lebensgeschichten aus fünf Generationen erzählen von Migration und Ansässigkeit und von den Berufen, die Juden und Jüdinnen offen standen. Sie berichten von dem langen Weg zur rechtlichen Gleichstellung ebenso wie vom Engagement für die kleine, aber traditionsverbundene jüdische Gemeinschaft auf dem Land.

Während es die junge Generation seit Ende des 19. Jahrhunderts in die Städte zog, blieben die Alten in ihrer vertrauten dörflichen Umgebung. Hier wie dort entkam die Familie Ullmann nicht der Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung in der NS-Zeit.

Ein Exponat aus der Ausstellung: Mit dem „Koscher-Stempel" des Rabbiners Wolf wurden im Rheinland erlaubte Lebensmittel gekennzeichnet.

Die koschere Küche früher und heute

Die Küche war der zentrale Ort im Haus der Familie Ullmann. Von hier aus ließen sich alle Räume erreichen. Hier wurde gekocht und gegessen.

In der Ausstellung werden in der früheren Küche der Ullmanns die jüdischen Speisevorschriften (Kaschrut) vorgestellt.

Die Regeln der koscheren Küche sind überall auf der Welt (fast) dieselben. Sie werden auf göttliche Gebote in der Bibel und im Talmud zurückgeführt. So ist genau festgelegt, welche Lebensmittel koscher (rein, tauglich, geeignet) sind und in welchen Zusammenstellungen sie gegessen werden dürfen, wie die Speisen zubereitet werden und was bei der Einrichtung der Küche zu beachten ist.

Blick in den Ausstellungsraum zur Haus- und Baugeschichte.

Synagoge – Werkstatt – Kulturhaus


In diesem Raum wird die Geschichte der Rödinger Synagoge erzählt. Dokumente, Bilder, Gegenstände aus der letzten Nutzungsphase sowie drei Kurzfilme veranschaulichen diese Geschichte, die beispielhaft für die Entwicklung in zahlreichen jüdischen Gemeinden des Rheinlands bis zur NS-Zeit ist. Auch der Umgang mit rheinischen Landsynagogen nach dem Holocaust wird thematisiert.

Glasscheibe mit Inschrift von Sibilla Ullmann

Jüdische Orte im christlichen Dorf


Neben Synagogen und Betstuben gab es in vielen rheinischen Dörfern weitere „jüdische Orte": einen jüdischen Friedhof, eine Judengasse und eine jüdische Schule. In Rödingen sind einige dieser Orte heute noch zu sehen, andere nur in Texten und Bildern überliefert. Diese Orte und ihre Geschichte werden vorgestellt. Hörstücke mit Kommentaren von christlichen Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern ergänzen das Bild.

In diesem Raum hat sich auch ein ganz besonderes Exponat erhalten. Als die 74jährige Sibilla Ullmann ihr Elternhaus 1934 für immer verlassen musste, ritzte sie ihren Namen in das Fenster.

Obwohl die fragile Glasscheibe schon an den Ecken ausgebrochen war, hat sich dieses Zeugnis der letzten jüdischen Bewohnerin mehr als sieben Jahrzehnte erhalten.

Der Tora-Wimpel.

Religion in der Synagoge und zu Hause

Ein aufwendig bestickter Tora-Wimpel aus dem 18. Jahrhundert ist der optische Anziehungspunkt in diesem Raum, der Aspekte der jüdischen Religion präsentiert.

Jüdische Religion wird in der Öffentlichkeit der Gemeinde und in der Privatheit der Familie gelebt und praktiziert. Manche Rituale wie die Befolgung der Speisegesetze oder das Anbringen der Mesusa (hebr. Türpfosten) haben ihren Ort im Haus. Für andere wie die Lesung des wöchentlichen Tora-Abschnitts am Schabbat ist die Anwesenheit einer Gemeinde in der Synagoge erforderlich.

Ein Tora-Fragment, ein Hörstück, Gebetbücher für Alltag und Festtage sowie eine Synagogen-Ordnung von 1836 illustrieren zentrale Aspekte der jüdischen Religion.